Interview mit Till Hofmann, einem der kreativsten gesellschaftlichen Akteure Münchens
Till Hofmann ist Konzertveranstalter und Kulturmanager
In München betreibt er u.a. das Lustspielhaus, die Lach- und Schießgesellschaft, das Vereinsheim, den Milla Club sowie in Wien den Stadtsaal. Daneben hat er mit Freunden zwei der kreativsten gesellschaftlichen Projekte der letzten Jahre angestoßen:
das satirische Luxusimmobilienprojekt „Goldgrund“ in Schwabing sowie das Willkommenszentrum für Flüchtlinge in der Müllerstraße „Bellevue di Monaco“. Im Interview spricht Till Hofmann über die Gratwanderung zwischen Gaudi und Seriosität.
Gesellschaftliches Engagement und Satire, passt das zusammen?
Was wir damals mit Goldgrund gemacht haben, das Angebot von fiktiven superteuren Luxuswohnungen auf der Münchner Freiheit, das war natürlich um die Ecke gedacht und sehr ungewöhnlich: die Anzüge, unsere Erscheinung als aalglatte Immobilienmakler, die Texte. Wir dachten, das muss sofort als Satire erkennbar sein, wir haben uns ja die extremsten Dinge ausgedacht und hatten wahnsinnig Spaß beim Texten. Dann merkten wir aber: die Realität ist viel weiter und viel schlimmer, als wir sie uns ausgedacht hatten. Aber genau diese Verwechselbarkeit hat dann eine Eigendynamik entwickelt, die wir nicht für möglich gehalten hatten. Dadurch haben wir die Aufmerksamkeit erreicht, die das Projekt brauchte.
Wie sind Sie denn auf das Thema Wohnen gekommen für Ihre Projekte?
Das war eigentlich ganz banal: wir haben Wohnungen für Mitarbeiter in Schwabing gesucht. Wohnen ist das Münchner Thema. Als wir dann die leer stehenden städtischen Häuser öffentlich benannten und anfingen zu beweisen, dass man die Häuser sehr wohl instandsetzenund nutzen kann, merkten wir, dass wir in ein Wespennest gestochen hatten. Dann war das ein Selbstläufer, und wir konnten unsere Aktionen in dem Haus in der Müllerstraße Stück für Stück weiter treiben.
Wie wichtig ist Kreativität, damit Projekte aus der Vielfalt gesellschaftlichen Engagements herausstechen?
Das ist halt unser Ansatz, wir überlegen und versuchen mit Künstlern und engagierten Menschen gewisse Missstände anders zu formulieren. Sicher bringt kreatives Improvisieren ungewöhnliche Lösungen hervor und schafft so Aufmerksamkeit. Mindestens ebenso wichtig aber, wahrscheinlich sogar wichtiger, ist Sachverstand. Deshalb haben wir für das Bellevue-Projekt von Anfang alle zusammen geholt, die Ahnung von dem Thema haben: den Flüchtlingsrat, den Verein für Sozialarbeit, condrobs, hpkj, Leute von Genossenschaften. Ohne Sachverstand, wäre das eine Spinnerei geblieben. So hat es Hand und Fuß – und bleibt trotzdem witzig und kreativ.
Haben Sie das aktuelle Flüchtlingsthema schon gesehen, als Sie mit Bellevue di Monaco anfingen?
Das musste seit Jahren jeder sehen, der Zeitung liest. Dass die Flüchtlinge nicht in Lampedusa bleiben werden, ist ja klar. Wir kamen nach einem Bericht von Alex Rühle in der SZ auf die Idee, die Häuser in der Müllerstraße zu einem Wohnprojekt für Flüchtlinge zu machen. Die Menschen sollen im Zentrum der Stadt integriert sein und nicht irgendwo außerhalb in ein Lager abgeschoben werden.
Nochmal zum Thema Satire: die politisch Verantwortlichen haben nicht sofort verstanden, was Sie da vorhaben, oder?
Naja, das Thema der leer stehenden Häuser im letzten Wahlkampf war einigen natürlich unangenehm und für andere ein gefundenes Fressen. Inzwischen aber ist alles durch, die Sozialgenossenschaft als Träger steht. Die Stadt steht inzwischen hinter dem Projekt, was mich sehr freut. Der Oberbürgermeister ist beim Thema Flüchtlinge seit langem sehr klar positioniert, und der Wille ist in München da, mit den Menschen, die da kommen, herzlich umzugehen. Bellevue die Monaco ist inzwischen gesetzt als außerparlamentarische, seriöse Kraft beim Thema Flüchtlinge, das ist jetzt keine Gaudi mehr sondern ein ironiefreies Projekt geworden.
Wie geht es weiter mit Bellevue di Monaco?
Wir wollen das Projekt gern langfristig sichern und Schritt für Schritt ausbauen. Meine Aufgabe dabei sehe ich darin, Leute zusammen zu bringen, die weiter denken, die Ideen haben, auch verrückte, und die bereit sind, ohne Netz etwas zu versuchen. Diese Bereitschaft fehlt uns manchmal in unserem Land.
Was sind nach Ihren Erfahrungen mit Goldgrund und Bellevue die entscheidenden Kriterien für den Erfolg neuer sozialer Projekte?
Das wichtigste ist sicher, dass man Ahnung hat vom Thema oder sehr gute Fachleute einbezieht. Als nächstes braucht man Kontakte. Dann sicher Glaubwürdigkeit, die muss man sich langfristig aufbauen durch eine kontinuierliche Kommunikation nach außen und regelmäßige Veranstaltungen für Unterstützer und Interessenten. Wichtig ist außerdem eine schlagkräftige Organisation. Und schließlich: Geduld und Dauer.
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